Ein großer Saal mit schöner Wandtäfelung. Im Saal sind runde Tische mit weißem Geschirrtuch zu sehen. Es stehen schwarze Sessel an den Tischen. Auf diesen sitzen Männer und Frauen. Am rechten Bildrand ist ein Podest, wo eine blonde Dame gerade einen Vortrag hält.

Welchen Herausforderungen sich Mitarbeitende und Personalverantwortliche im Arbeitsbereich derzeit stellen müssen, das war Inhalt von Vorträgen beim HR Inside Summit 2022.

Foto: © Gerhard Neubauer
aus Heft 6/2022 – HR Inside Summit
Gerhard Neubauer

Das schlechte Gewissen

Am 12. und 13. Oktober öffnete der diesjährige HR Inside Summit in der Wiener Hofburg wieder seine Pforten – und eine Tausendschar von Teilnehmer:innen folgte dem Ruf. Nicht verwunderlich, ist doch den Organisator:innen dieser etablierten und ausgebuchten Veranstaltung durch viele renommierte Speaker und ein perfektes Setting eine Fachmesse auf außergewöhnlich hohem Niveau gelungen.

Ein Rundgang durch Österreichs größte Fachmesse zum Thema Personal legte das breite Spektrum an Herausforderungen offen, denen sich Personalverantwortliche in Unternehmen und Organisationen derzeit stellen müssen. Dass die Methodik eines zeitgemäßen Recruitings einen Schwerpunkt bildet und der Arbeitskräftemangel in nahezu allen Branchen eine große Rolle spielt, mag wenig überraschen. Mehr schon das unterschiedliche Ergebnis, wenn man die Sichtweise von Führungskräften und Mitarbeiter:innen zum Arbeitsmodell „Homeoffice“ vergleicht. Während Mitarbeiter:innen dem Homeoffice größtenteils positiv gegenüberstehen und festhalten, zwar eine Eingewöhnungsphase zur örtlichen wie zeitlichen Strukturierung im eigenen Heim zu benötigen, dafür aber produktiver zu sein als am Arbeitsplatz im Betrieb, sind viele Führungskräfte eher skeptisch. Für diese Zweifel sind die Sorge um das Betriebsklima, eine unzureichende Vertrauensbasis bzw. Kontrollmöglichkeit, Entfremdungsängste durch zu seltenen persönlichen Kontakt und nicht zuletzt die jeweilige Branche, in der das Unternehmen tätig ist, ausschlaggebend.

Doppelbelastung schafft Druck

Grundsätzlich ist der Trend zum Homeoffice-Angebot unübersehbar. Mit ein Grund, warum auf dem Podium auch die unterschiedlichsten Arbeitsmodelle beleuchtet wurden. Wesentliche Erfolgsvoraussetzung ist jedenfalls das gelingende Management von beruflichen und privaten Verpflichtungen sowie der richtige Umgang mit den zeitlichen Ressourcen.

So legte z.B. Blanka Vötsch, eine Expertin für Zeitmanagement und Produktivität, auf der Mainstage des HR Inside Summit dar, wie man es schafft, seine diversen Arbeitsvorgaben in der rechten Zeit zu bewältigen. „Zu viel Arbeit am Ende des Tages“, betitelte sie ihre Keynote, in der sie von Situationen erzählte, die vielen, die stets unter Zeitdruck stehen, nur allzu bekannt sind. Das ständige Unterbrochen-Werden während der Arbeit: „Kannst du das schnell erledigen? Dauert eh nicht lange“, „Du kannst uns doch jetzt nicht hängen lassen, wir brauchen das ganz schnell, am besten schon gestern!“

Die parallele Doppelbelastung im familiären Kontext: „Das gehört auch noch aufgeräumt!“ – „Habe ich glatt vergessen, ich weiß schon gar nicht, wo mir der Kopf steht!“

Die Konzentration ist gestört, Wichtiges bleibt liegen, und dann kommt es – das schlechte Gewissen, das einen weiter antreibt und keine Ruhe zulässt.

Die Produktivität leidet darunter, die Effizienz der Arbeit lässt zu wünschen übrig. Irgendwann wird es endgültig zu viel. Der Körper sendet Alarmzeichen und fordert seine Rechte ein, Erschöpfung macht sich breit, die Psyche verlangt nach einer Veränderung.

Lernen von den Profis

In einigen Unternehmen gibt es Fokuszeiten, in denen Mitarbeiter:innen in ihrer Arbeitskonzentration nicht gestört werden dürfen, und seien es nur zwei Stunden pro Tag. Blanka Vötsch rät zum Fokus auf das Wesentliche. Den meisten Menschen fehle dieser differenzierende Blick. Deshalb neigten sie dazu, viele unwichtige Dinge den wichtigen Aufgaben gleichzusetzen, was den Arbeitsaufwand steigert, die Produktivität und Effizienz zugleich senkt – und Wichtiges unerledigt zurücklässt.

Die Arbeitsanforderungen des Tages in kleine Schritte einteilen, in eine Richtung gehen, die wesentlichen Aufgaben markieren, wichtige Dinge priorisieren, Erholungszeiten definieren und diese, ohne schlechtes Gewissen, unbedingt einhalten – keine unbekannten, aber sehr zielführende Maßnahmen, die Blanka Vötsch ihren Zuhörer:innen mit auf den Weg gibt.

Maßnahmen, die auch für Beschäftigte in Pflege- und Betreuungsberufen wichtig sind, ebenso für Berufstätige, die sich wegen der Pflege bzw. Betreuung von Angehörigen in einer arbeitsmäßigen Doppelfunktion befinden. Wenn man die häufigen Meldungen über den Alltag an der Belastungsgrenze in diesen Arbeitsbereichen mitverfolgt und die daraus folgenden Probleme betrachtet, so wird klar, dass ein spezifisches Weiterbildungsangebot, z.B. praxisbezogene Workshops, ein grundlegender Beitrag zur Besserung der Situation sein könnte.

Autor: Gerhard F. Neubauer