Beschreibung

Über das Zeichnen, Schreiben, Fotografieren und Filmen erkundet Patricia Josefine Marchart autistische Welten von Kindern und Jugendlichen.

Foto: Marko Zohmann
aus Heft 6/2021 – Essay
Patricia Josefine Marchart

Autistische Welten

„Die Buntstifte hören mich alle nicht.
Der Weiße ist schneller als ich.
Der rennt nur 1-mal nach.
Man muss Geduld haben, sage ich.
Abgebrochene Distanz. Bin ich ein Notfall?“
Marko

Menschen mit Autismus tun sich angeblich schwer mit der zwischenmenschlichen Interaktion. Liegt es an der Gesellschaft und ihren tradierten Kommunikationsformen? Wie können wir einander verstehen? Wo liegt das Kommunikationsproblem zwischen „Autisten und Nichtautisten“? Gibt es dieses wirklich? Welche Möglichkeiten zur Kommunikation gibt es? Menschen mit autistischen Eigenschaften codieren und zeigen manche Gefühle anders als andere. Es wird dann, von der Umwelt verstärkt, nur eine Interpretation von Gefühlen wahrgenommen, die mit dem Gefühl dahinter nichts zu tun hat.

In meiner Zusammenarbeit mit Menschen mit autistischen Eigenschaften habe ich meine ganze Aufmerksamkeit auf die Emotionen und Gefühle gerichtet. Ich selbst habe auch immer versucht, aus meinem authentischen Gefühl heraus zu kommunizieren und impulsiv zu handeln, um einen möglichst großen Austausch zu haben. Oberstes Ziel war immer, darauf zu achten, dass sich jede und jeder in der Gruppe wohlfühlt. Ich bewerte im Vorhinein nicht, ich lasse mich überraschen, was entsteht. Sinnvoll oder sinnlos existiert für mich nicht. Stereotypien, seltsame Körperbewegungen, extreme Verschlossenheit oder wiederholtes Bedürfnis nach körperlicher Berührung. All das ist der „normal“ codierte Mensch nicht gewohnt und wertet es meist als Kommunikationshindernis. Ich habe oft beobachtet, dass sich Stereotypien zeigen, wenn Emotionen oder Gefühle zu viel Chaos (wahrscheinlich in Form von gefühltem Schmerz) verursachen und das Bewusstsein die Information nicht verarbeiten kann und so keinen anderen Impuls als den der Wiederholung bekommt.
Zeichnen, Schreiben, Fotografieren und Filmen sind Ausdruckswerkzeuge, mit denen man unmittelbar und direkt aus sich heraus berichten kann, wenn man den Mut dazu aufbringt und sich nicht schämt dafür, dass vielleicht etwas „Unschönes“ dabei herauskommt.

Alle Texte der Menschen mit autistischen Eigenschaften sind Faction (Literatur- oder Filmgattung, in der wahre Begebenheiten verarbeitet werden). In den Texten ist nichts Fiktives. Impulse, Emotionen, Erlebnisse und Gedanken werden direkt notiert. Alles ist authentisch und beschreibt subjektive Wirklichkeit; auch wenn manche Passagen fiktiv wirken; pure Faction. Es gibt in den Texten keine konstruierten Wirklichkeiten. Hinter all den Wirklichkeiten steht jemand, der „das“ so lebt, denkt und fühlt. Es werden in den Texten keine Figuren erfunden oder entwickelt, das „ICH“ beschreibt sich durch die Auseinandersetzung mit dem Jetzt. Die Texte sind Konfrontationen mit der Gegenwart, manchmal prallen sie gegen etwas Ungewisses, Unantastbares, Geheimnisvolles, das macht diese Texte so verletzlich. Alles ist als Aussage und Mitteilung zu verstehen, die sich an den richtet, der sie empfängt. Diese Texte muss man einfach nur wörtlich nehmen, sie meinen nicht mehr und nicht weniger. Sie sind so geschrieben, wie es ist. Es steht nichts zwischen den Zeilen. Nichts wird dazu erfunden und nichts wird interpretiert. Ein Schreiben, ohne zu spiegeln. Eine ident entwickelte Sprache, die ganz aus dem Inneren kommt.
Viele Menschen mit autistischen Eigenschaften, mit denen ich gearbeitet habe, haben einen viel mikroskopischeren Blick auf Dinge, Strukturen und Muster, da sie diese für ihre eigene Ordnung benötigen. Für ihre Gefühlsordnung. Die gemeinsame Basis können wir vor allem über das Gefühl erreichen.
PM:
Was ist das Unteilbarste auf der Welt?

Marko:
Das Menschenleben.

Lukas

Geschriebener Text: Abschrift / Lukas

Mein Leben beginnt 1972 mit der Geburt. 1973 folgt die Taufe. 1974 Parotitis. 1975 geht es in die Vorschule. 1978 geht es in die Schule. 1980 bis 1982 geht es zur Erstkommunion. 1983 wird der Magen ausgepumpt, Nägel haben nichts verloren. 1984 bis 1986 beginnt das Fahrtentraining. 1986 bis 1990 beginnt die Mittelschule. 1990 bis 1993 beginnt die Arbeit. 1993 bis 2000 beginnt die Arbeit bei Rainman’s Home. 2000 bis 2005 beginnt die Arbeit bei Rainman’s Home. 2005 beginnt die Arbeit bei Rainman’s Home. 2011 folgt der Abschied von Onkel Helmuth.

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Lukas arbeitet in seinen Zeichnungen sehr schemenhaft. Alles wird zur Fläche, die etwas versteckt und bewahrt. Er ist stundenlang konzentriert am Zeichnen oder Schreiben, ist zugleich aber immer auch mit seiner Aufmerksamkeit in der Gegend, die um ihn ist. Die Zeichnungen wirken wie Meditationen über vergängliche Dinge.
Es sind vorwiegend Gegenstände aus dem Alltag, die benutzt worden sind, die Gebrauchsspuren haben. Sie werden angedeutet, mit vielen Strichen zum Leben erweckt. Es sind sehr persönliche Gegenstände, die ihn mit Erinnerungen verbinden. Durch die vielen Striche konserviert er sie für den Betrachter oder die Betrachterin. Seine Zeichnungen sind reduziert auf das Wesentliche, genauso wie seine Sprache. Seine Gedankenprotokolle sind manchmal Aneinanderreihungen von Stichwörtern, eine Ausschaltung des Satzbaues, der für ihn nicht notwendig ist, da ja alles mit Substantiven und Zeitwörtern gesagt werden kann. Es ist kein Auslassen oder Fehlen von Sprache, es ist eine exakte Bildsprache ohne Satzstruktur.
Lukas hat ein Wissen vom Wesentlichen, alles ist so einfach und schlicht, und es erzählt vom Ganzen in einer stillen beruhigenden Weise. Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der achtsamer mit seinen Mitmenschen und seiner Umwelt umgegangen ist.

Raffael

Gesprochener Text / Audiomitschnitt

Ich bin der Raffael, heiße ich, ich habe Geburtstag gehabt am Sonntag, habe ich bei der Mama und beim Erwin, war ich in Laxenburg, habe ich dort gegessen, war sehr schön der Geburtstag, ich bin im Februar in Meidling eingezogen, da habe ich meine Familie eingeladen und meine Tante früher, ich habe einen Bruder, der ist Sandro, der geht schon arbeiten, der ist Elektriker, der hat eine Berufsschule, der ist Elektriker und jetzt ist er beim Papa und schläft dort und ich schlafe bei der Mama und habe ein eigenes Zimmer, und ich habe vorher in der WG gewohnt, in Pottenstern, jetzt bin ich bei der Mama, habe Katzen, zwei, eine ist Missy, eine Muffin, habe ich das gut gemacht? Ich habe Freunde in der Teschnergasse.

PM: Was denkst du über die Welt?
Raffael: Ich denke nach, was es zum Essen gibt, dass ich gerne lustig bin, dass ich nicht mehr Blödsinn reden darf, wie bin ich brav in der Werkstatt, ich denk nach, dass du hübsch bist, dass ich Leute begrüßen darf.

Raffael zeichnet sich selbst und andere Menschen immer mit Armen, die aneinandergereihte kleine Bögen bilden. Seine Arme sind immer in Bewegung und er berührt gerne andere damit. Auf den Zeichnungen wirken sie wie vergrößerte Fühler, Flügel oder Schwimmhäute. Raffael ist ein Energiebündel, ein Impuls folgt dem anderen. Raffael agiert immer aus dem Moment heraus. Er durchleuchtet Millisekundenzustände, bringt sie aufs Papier, und schon sind sie wieder verschwunden. Alles manifestiert sich im Vorbeirauschen der vielen Informationen, die ununterbrochen herumschwirren. Raffael zeigt die Dichte an Informationen, die Supergeschwindigkeiten von Wahrnehmung und Realität, ein Momentzeichner, dem nichts entgeht. Raffaels Bilder ordnen Umwelt und „Selbst“ in völlig neuem Kontext. Alles gehört zusammen und steht doch einzeln für sich. Die Zeichnungen beschreiben den Zufall, Neuanordnungen und Kombinationen von Gegenständen, Menschen, Buchstaben und Zahlen. Spricht man mit ihm darüber, ist es immer etwas anderes. Wahrscheinlichkeiten von möglichen Anordnungen sind in seinen Botschaften zu finden, eine Information kann in einem Moment auch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine andere sein.

Marko

Gesprochener Text: Audiomitschnitt 1:1

Aufgebrochene Daten, ich komm nicht mehr rein bei mir, ich hab meine Daten gelöscht, die gehen alle aus bei mir, nein schlimm, gib rein, ich hab in das Bett gemacht und auch auf die Bank gemacht, auch war ich schlimm und nicht brav, der Stift ist so tot, der Stift ist zum Arbeiten, warum soll ich arbeiten, soll ich dir das am Kopf reingeben, kurz weiter, Gewalt einstellen, so jetzt, die Farbe ist zu stark, weißt du, aufpassen, was heißt: Ich mache, was ich will, warum tust du das, warum machst du das, oh ja, ist bald der Tod von mir, aus ist es, tust du tot bleiben, tot bleiben ist besser, ich tu gerne leben, lebendig bleiben, ich mache, was ich will, tu ich lieber, lass mich mal auch schreiben, taptarap, die privaten Sachen sind zu alt, du musst ein bisschen vorsichtig mit mir umgehen, auf diese zwei ist ein starker Commander, Commander, bitte, was ist denn das, beitreten, schau, ich komm nicht mehr weg, ich komm nicht mehr raus, bin eingesperrt, Dankeschön, halt die Klappe: Doppelpunkt: Ich werde nicht tot.

PM: Reden wir über Ordnungen, was alles ist eine Ordnung?
Marko: Ja, willst du Hausriegel haben, dann musst du Riegel dazuschreiben. Und da gibt es Bahnregeln, die man einhalten muss. Also nicht verspielen. Das mit dem Besteck lässt du weg, aber Regel einhalten nimmst du. Und saubere Hände nimmst du dazu.

„Ich muss mich magnetisieren.“ Mit diesen Worten lernte ich Marko kennen. Er ist ständig in Bewegung, beobachtet ununterbochen und spricht von allem, was um ihn ist, als wäre er es selbst. Er ist eine Tastatur, ein Computer, ein Außerirdischer. Oft spricht er über sich in der dritten Person, fordert sich auf, etwas zu tun, oder schimpft mit sich. Gegenstände haben menschliche Eigenschaften, können sich bewegen, haben Sinne und stehen in Kommunikation mit ihm. Er macht keinen Unterschied zwischen sich und der Umgebung. Er ist die Umgebung. Die Umgebung ist er. Es gibt kein herkömmliches Du, kein Gegenüber, alles ist „Ich“. In Markos Welt geht es nicht um Liebe und Hass, es geht nicht um Angst oder Freude, es geht nicht um Gefühle im herkömmlichen Sinn. Immer wieder stellte Marko fest, dass etwas tot sei. Buntstifte, Maschinen, Computer. „Der Tote bin immer ich“, sagt Marko Zohmann. Eine so radikale Erkenntnis wünschen sich sicherlich viele Philosophen.

Ich bin lebendig,
also tot nicht,
aber lebendig.
Schreibst halt lebendig hin statt tot.
Bitte. Na na na … (singt).
Bin ich zu laut, gut, dass ich leise …
Na na na … (singt).
Wenn du mich herumstellst,
bin ich zum Beispiel tot drinnen.
Muss ich tot bleiben.
Das bringt mir nichts.

Ich kam eines Tages mit argem Liebeskummer in die Gruppe und Marko zeichnete dieses Bild. Ich habe weder von meinem Problem gesprochen noch mich sonst wie geäußert. Ich war einfach nur in diesem Zustand, den Marco – für mich überraschend – zeichnete. Das hat mich sehr berührt.
Das „Selbst“ rückt in den Texten von Marko Zohmann immer wieder in die Umwelt, protokolliert die inneren Zustände durch das Verweben und Identifizieren mit der Umwelt. Sie wird zu einem gigantischen Informationskanal, in dem das „Selbst“ sich ständig manifestiert und wieder auflöst. „Ich“ ist mit Abstand das häufigste Wort bei Marko, er beschreibt in seinen Texten, die er unentwegt vor sich hinspricht, detaillierte Versuche, das „Ich“ unentwegt neu in der Gegend zu orten. Marko beschreibt in stark verdichteter Sprache das Phänomen der Identität, das, wenn es für alle Informationskanäle gleichzeitig offen ist, derartige In‑ und Outputs hat, dass eine Erkenntnis auf die andere folgt. Es bleibt aber nicht nur bei diesen Erkenntnissen. Sobald etwas reflektiert wurde, gilt es auch schon nicht mehr. Durch die Wahrnehmungsfülle konstruiert sich das „Ich“ ständig neu. Die Zeichnungen Markos zeigen außergewöhnliche Ordnungsstrukturen. Im Vordergrund stehen immer Zahlen, Buchstaben, Figuren und Symbole, die wie zufällig aneinandergereiht sind und dem Betrachter ein geordnetes Chaos vermitteln, als würden hier Zustände von hoher und niedriger Entropie und Wahrscheinlichkeiten visualisiert.

Markus

Geschriebener Text / Markus

Ene, mene, mu und draus bist du. Der Bauer ist beim Traktor. Es gibt auch Autos. Wir sind froh, dass wir lebendig sind. Wir können auch Drachen steigen lassen. Der Drache steigt hoch und höher. Wir gehen entweder am Gehsteig oder am Zebrastreifen. Ich esse und trinke wieder einmal. Ein Papagei ist ein Vogel. Es gibt auch ein Lastauto. Es gibt auch eine Fantasiefigur. Wir leben. Jeden Montag gehe ich mit meiner Mama zur Marlene. Es gibt auch eine Uniform. Es gibt auch Abzeichen. Wir können auch was zeichnen. Es gibt auch ein Museum. Ich freue mich sehr. Es gibt sieben Kontinente. Die heißen Afrika, Asien, Amerika usw. Es gibt auch Europa. Es gibt auch einen Prater. Es gibt auch eine Achterbahn und ein Karussel. Ich liebe alle Menschen. Ich bin achtzehneinhalb Jahre alt. Ich möchte leben statt sterben.

Markus zeichnet sehr oft Momentaufnahmen und Befindlichkeiten. An einem Tag haben wir alle in der Gruppe um René getrauert, der kurz davor ganz plötzlich gestorben ist. Wir saßen im Aufenthaltsraum neben seinem leeren Tisch, auf dem eine Kerze brannte, und haben alle gezeichnet und über Leben und Tod gesprochen.

Körperseelegeist wird als ein Wort dargestellt und dann nochmals in seine Einzelteile zerlegt. Wobei im Wort Körper derselbe durchgestrichene Kreis enthalten ist, den die Figur (= Markus) in der Hand hält. Markus zeichnet öfter diese durchgestrichenen Kreise, wenn er sich selbst zeichnet, er beginnt mit einem Kreis, den er durchkreuzt, und zeichnet sich selbst rechts daneben. Als Nächstes schreibt er: „Du kannst eine Seele malen.“ Dann fragt er sich: „Was soll ich da sehen?“ Und kommt zu der Erkenntnis: „Das stimmt nicht wirklich.“ Das Bild zeigt sehr klar, wie schnell und einfach eine Ordnung zustande kommt, wenn ein „großes Thema“ visualisiert wird. Zum einen die Herausforderung – du kannst eine Seele malen – und zum anderen die Erkenntnis, dass das nicht wirklich stimmt.

Markus ist ständig in Kommunikation mit den anderen. Es geht ihm immer um eine „Berührung“ im Gespräch, mit Blicken, mit den Händen. Er hat das absolute Gehör, spielt Klavier und komponiert auch eigene Lieder. Außerdem beherrscht er das Alphabet in Zahlen, löst nebenbei Sudokurätsel und komplizierte Rechenaufgaben im Kopf. Beim Filmen stellte ich etwas sehr Interessantes fest. Wochenlang filmte Markus nur diffuse Böden und Flächen, man konnte lediglich Bewegungen erkennen, kaum nachvollziehbare Bilder. Außerdem war er sehr unzufrieden mit sich und dem Material und legte die Kamera immer wieder verärgert weg. Ich setzte mich in einem Kaffeehaus ihm gegenüber und schlug ihm vor, doch ein Gespräch mit mir zu führen und dabei durch die Kamera zu schauen. Von diesem Zeitpunkt an begann er, Menschen zu filmen, er war auch der einzige Teilnehmer des Filmprojekts, der „Fremde“ auf der Straße interviewte. Seine Zeichnungen sind zarte, feine Protokolle. Sie erzählen vom Alltag, von Begegnungen, vom reinen Leben. Eines seiner zentralen Themen ist die Liebe. „Wir sind froh, dass wir am Leben sind“, schreibt Markus. Und ganz genau so ist es.

Die Liebe ist: Ich liebe alle Menschen.
Es lieben auch alle Menschen mich. (Markus)

Für Markus besteht die Sprache aus Buchstaben und Wörtern, denen Zahlen zugeordnet sind. Das Alphabet in Zahlen hat er sich selbst beigebracht. Er formuliert in minimalen Sätzen seine Gefühle und Umwelt.

Patricia Josefine Marchart (2017)
Autistische Welten?
Kunststoffeinband, 400 Seiten
Preis: 49,80 Euro
Wien: Löcker Verlag
ISBN 978-3-85409-778-5
Das Buch gibt einen komplexen Einblick in die individuelle Wahrnehmung von Menschen mit autistischen Eigenschaften. Mit Hilfe von Text, Zeichnung, Foto und Film entwickelt die Autorin das „Impuls-Acting“, eine Basis für den Kommunikationsaustausch zwischen „Autisten und Nichtautisten“.
IMPULS ACTING heißt Impulse wahrnehmen und für die Kommunikation nützen.
Impulse kommen direkt aus unserer Gefühlswelt, sie ermöglichen uns, innerste Zustände und Gedanken in Handlungen und Aktionen umzusetzen. Aktionen können gestaltende Prozesse sein. Die entstandenen Botschaften dienen der Kommunikation und sind Basis für Gespräche.
Wichtige Grundsätze:

Den anderen wahrnehmen, ohne zu interpretieren.
Im Moment sein, der Moment ist der größte Informant.
Keine künstlichen Grenzen setzen.
Impulse leben, wahrnehmen und für die Kommunikation nutzen.
Gefühle zeigen und verbal oder nonverbal artikulieren.
Eigene Grenzen mitteilen.
Nur so weit mit jemandem gehen, wie er oder sie es will.
Andersartigkeit als Potenzial sehen.
Niemanden zu etwas zwingen.
Neugierig sein.

Ich habe von Menschen mit autistischen Eigenschaften gelernt: einander begegnen, an der Stelle, wo man sich befindet. Anfangs war ich auf der Suche nach dem Trennenden und dem Verbindenden in unserer Kommunikation, versuchte zu verstehen, wie sie denken, was sie fühlen, tappte in die Falle der Vorstellungen. Ich war Opfer meiner eigenen Interpretationen geworden. Ich verstand nicht, dass es dabei gänzlich um „die Begegnung“ ging und in jedem Moment der Austausch stattfand. „Autisten“ sind genau so emotional wie „Nichtautisten“. Sie erleben durch ihre Wahrnehmung Umwelt sehr viel anders als „Nichtautisten“. „Nichtautisten“ können das schwer verstehen, weil sie ja gewohnt sind, Umwelt wenigstens so ähnlich wie jemand anderer wahrzunehmen und zu empfinden.

Patricia Josefine Marchart, Dr.
Schauspielstudium in Wien
Studium der Visuellen Mediengestaltung an der UGF Linz, Diplom 1999
2010 bis 2013 Dissertation an der Angewandten bei Prof. Reder über „Autistische Welten – Wie können wir einander verstehen?“
seit 2000 freischaffende Filmemacherin und Schriftstellerin
patricia@schutzfilm.com www.impuls-acting.com